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Aristoteles

Aristoteles: Die Rhetorik ist die Kunst,
die möglichen Überzeugungsmittel
zu finden.

Dr. Ulonska Training
Institut für Kommunikation
und Management

Lindenteichstraße 8
D - 37124 Rosdorf
Tel: 05545/655-6 

Tilo Weber/Gerd Antos, Universität Halle:Kommunikationstrainer/innen und Linguistik.

Einseitige Betrachtungen zu einem wechselseitigen Isolationsverhältnis

In: Antos/Wichter: Transferwissenschaft. Wissenstransfer durch Sprache als gesellschaftliches Problem. Frankfurt, M.: Lang. 2001

1. Einleitung

Wenn zwei potenzielle Partner kaum Notiz voneinander nehmen, dann sind Gründe dafür meist auf beiden Seiten zu finden. Die gilt auch für das Verhältnis zwischen der Linguistik und ihrem gesellschaftlichen Umfeld, wozu neben den unterschiedlichen Medien (vgl. Barth-Weingarten/Metzger: i.d.B.) vor allem auch eine Vielzahl von sprach- und kommunikationsorientierten Berufsfeldern gehören.

Wie Linguist/inn/en ihre Beziehung zur ausserakademischen Öffentlichkeit und ihren Teilbereichen sehen, wurde bereits andernorts dargestellt und erörtert (Antos/Tietz/Weber 1999). In diesem Beitrag untersuchen wir aus der entgegengesetzten Perspektive die Einstellung von Vertreter/inne/n eines kommunikationsorientierten Dienstleistungssektors zur Linguistik. Ausgangspunkt ist dabei die Beobachtung, dass ein Wissenstransfer bzw. eine Wissenstransformation (Dewe 1988, i.d.B.) zwischen den beiden Domänen bis auf wenige Ausnahmen nicht stattfindet. Ziel der folgenden Ausführungen ist es daher zum einen, das – kaum je realisierte – Potenzial zu ermitteln, das Kommunikationstrainer/innen linguistischen Modellen, Methoden und Forschungsergebnissen als eine Ressource für die Konzeption und Durchführung von Trainings zuschreiben. Zum anderen werden die Bedingungen dargestellt, die aus der Sicht der Trainer/innen erfüllt sein müssen, damit (linguistische) Forschung von Trainer/innen in ihrer Arbeit überhaupt rezipiert und umgesetzt werden kann.

Dass die Isoliertheit der Linguistik im Folgenden nicht bloß als notwendige und unabänderliche Folge wissenschaftlicher Komplexität und Abstraktheit hingenommen, sondern als ein in gewissem Maße erstaunlicher und überwindbarer Zustand betrachtet wird, hängt mit einem besonderen öffentlichen Diskurs zusammen, in dessen Kontext sich die Wissenschaft von der Sprache gegenwärtig wiederfindet. So gehört es seit einiger Zeit zu den Allgemeinplätzen in der Diskussion um die so genannte “Zukunftsfähigkeit” von Berufseinsteigern und die Gestaltung von Ausbildungskarrieren, dass kommunikative und damit sprachliche Fähigkeiten und Fertigkeiten für beruflichen Erfolg im Allgemeinen ebenso wichtig sind wie Detailwissen in einem spezifischen Berufsfeld, etwa dem Bank- oder dem Verlagswesen. Das Schlagwort von der “kommunikativen Kompetenz als Schlüsselqualifikation” bringt diese Einsicht auf den Punkt. Als Konsequenz hat sich der Dienstleistungssektor Kommunikationstraining, sei es in der Form von Ratgeberliteratur, Video- und Audiokassetten oder Seminaren, zu einer ausdifferenzierten “Industrie” entwickelt. Doch obwohl Sprach- und Interaktionsprobleme – allerdings meist, ohne als solche auch angesprochen zu werden – zwingend im Fokus einschlägiger Seminare und Publikationen stehen, beziehen sich diese nur selten auf Ergebnisse aktueller linguistischer Forschung. Statt dessen reflektieren sie die Laien-Theorien ihrer Autor/inn/en bzw. der Trainer/innen im Hinblick auf Struktur und Funktion von Sprache. Wo sie explizit auf wissenschaftliche Forschung verweisen, etwa um ihr Vorgehen zu legitimieren, tun sie dies vorwiegend mit Bezug auf die Wirtschaftswissenschaften und die Psychologie.

Im Rahmen eines Forschungsprojekts zum Wissenstransfer von der Linguistik in andere Bereiche der (deutschen) Öffentlichkeit, haben wir Kommunikationstrainings und Informationsmaterialien analysiert, die vor allem in einschlägigen Fachmagazinen (z.B. Manager und Seminare, Managermagazin, Acquisa etc.) frei zugänglich waren oder uns auf Anfrage zur Verfügung gestellt wurden. Darüber hinaus haben wir Interviews mit 12 Trainer/inne/n bzw. mit für die Organisation von Trainings Verantwortlichen durchgeführt, um zu klären; welche Laien-Theorien über Sprache und Kommunikation sie verinnerlicht haben, und

was gegenwärtig den Transfer linguistischer Modelle, Begriffe, Ansätze etc. in die berufliche Domäne der Trainer/innen behindert.

Im Folgenden formulieren wir zunächst eine These, die den letzteren dieser beiden Punkte zu erklären sucht, um dann kurz die den Interviews zu Grunde liegenden strukturierte Fragenliste und die Stichprobe der Trainer/innen vorzustellen, die uns für Interviews zur Verfügung standen. Der Schwerpunkt des Aufsatzes liegt darauf, die Ausgangsthese durch vier spezifische Beobachtungen und entsprechende Zitate aus den Interviews in differenzierter Weise zu belegen. Abschließend diskutieren wir die erzielten Ergebnisse im Lichte einer früher durchgeführten Befragung unter Linguist/inn/en zum gleichen Thema und ziehen dann die Konsequenzen, die sich aus den vorgestellten Befunden für die Linguistik und ihre Vertreter/innen bezüglich ihres Verhältnisses zur (professionellen) Öffentlichkeit im Allgemeinen und zur Domäne Kommunikationstrainings im Besonderen ergeben.

2.Die Zwei-“Welten”-These

Das Verhältnis zwischen der akademischen Linguistik und Kommunikationstrainer/innen lässt sich am treffendsten als Nicht-Verhältnis charakterisieren. Ein Transfer im Sinne einer transformierenden und an die eigenen Ziele adaptierende Übernahme von Wissen (vgl. Dewe 1988, i.d.B.) aus dem jeweils anderen Bereich findet auf einer breiten und systematischen Basis nicht statt. Dieses Faktum (vgl. auch Brünner/Fiehler 1999) lässt sich bildhaft durch die Vorstellung zweier Welten und ihrer Bewohner vor Augen führen:

Die Zwei-“Welten”-These:

Trainer/innen und Linguist/inn/en leben in zwei “Welten”, die weitgehend isoliert voneinander sind. Dass Trainer/innen keinen Kontakt zur Linguistik suchen, liegt vorwiegend darin begründet, dass diese Disziplin für sie weitestgehend terra incognita ist, über die sie, wenn überhaupt, einerseits unspezifische, andererseits negative Annahmen hegen.

Die in der Zwei-“Welten”-These angenommene Situation ist nicht nur eine wechselseitiger Abgeschiedenheit, sondern macht darüber hinaus auch die Überwindung der Grenzen zur jeweils anderen Domäne hin schwierig. Denn einerseits sind Austausch und konkrete Zusammenarbeit nur unter der Bedingung möglich, dass die potenziellen Partner detaillierte Kenntnisse von- und Erwartungen aneinander haben. Dies ist gegenwärtig in Bezug auf Linguist/inn/en und Trainer/inn/en nur in seltenen Einzelfällen gegeben. Andererseits wird eine solche Unkenntnis nur der zu überwinden suchen, der sich von dem anderen, wenn nicht konkrete, so doch prinzipiell interessante oder gar hilfreiche Beiträge für die eigene Tätigkeit erwartet. Wie weiter unten (s. Abschnitt 5, Beobachtung III) deutlich wird, sind die Annahmen der Trainer/innen über die Linguistik nicht geeignet, ihre Neugier auf und ihr Interesse an dieser Disziplin zu wecken.

Die hier formulierte und im Folgenden zu belegende These entwirft ein Bild der Linguistik aus der Perspektive der Trainer/innen, für das dreierlei charakteristisch ist:

Es weist große weiße Flecken auf und scheint das Fach vor allem in seinen philologischen und (formal-)grammatischen Aspekten abzubilden.

Es ist auch in den abgebildeten Aspekten sehr grobkörnig, kaum differenziert.

Es ist nicht “nach der Natur”, sondern aufgrund vermittelter Informationen gebildet, beruht also nicht auf persönlicher Erfahrung mit Vertreter/inne/n, Texten etc. der Linguistik, sondern spiegelt weitestgehend die im öffentlichen Diskurs vorherrschende Vorstellung von dem Fach wider.

3.Die Interviews

Die Zwei-“Welten”-These stützt sich auf Belege aus unterschiedlichen Quellen:

Analysen von Videos, Trainingsmaterialien und Publikationen aus dem Bereich Kommunikationsberatung

ein Fragebogen, in dem Linguist/inn/en – unter anderem – gefragt wurden, wie sie das tatsächliche und das potenzielle Verhältnis ihrer Disziplin zur Öffentlichkeit sehen

Interviews mit Trainer/inne/n.

Die Analysen von Trainings- und Beratungsmaterialien, insbesondere die Durchsicht der Informationsbroschüren von 12 Trainingsinstituten und Videobänder mehrerer Trainings, ergaben keinen Hinweis, der deutlich auf die Linguistik als Quelle eines Wissenstransfers zu beziehen wäre. Dieser Befund ist insofern signifikant, als Trainer/innen Verweise auf wissenschaftliche Forschung vor allem dann als eine Ressource verwenden, wenn sie ihr eigenes Vorgehen bei der Vermittlung eher abstrakter und theoretischer Konzepte und Modelle legitimieren. Allerdings stellte sich bei der Suche nach Spuren linguistischer Hintergründe in den Trainings ein grundlegendes methodisches Problem, da die Aufgabe der Trainer/innen ja nicht darin besteht, eine Theorie zu lehren, sondern bestimmte Fähigkeiten und Fertigkeiten zu vermitteln und zu entwickeln. Reinhard Fiehler, selbst Linguist am Institut für deutsche Sprache (IDS) Mannheim, macht dies im Interview vor dem Hintergrund seiner eigenen Erfahrung als Supervisor für Kommunikationstrainer sehr deutlich:

“Also in den Trainings stelle ich nicht Wissenschaft populär dar. Ich vermittle Ergebnisse. Aber die stelle ich nicht dar, sondern die wende ich an auf eine bestimmte Zielgruppe. Ich will nicht klar machen, was Gesprächsanalyse ist, sondern was ich zur Problemlage dieser Gruppe als Ergebnis der Anwendung von Diskursanalyse sagen kann.”

Die vorliegende Arbeit ergänzt die in Antos/Tietz/Weber (1999) vorgestellte Befragung von Linguist/inne/n insofern komplementär, als sie dem Selbstbild der Wissenschaftler/inn/en von ihrem Fach ein Fremdbild aus der Perspektive von Kommunikationstrainer/inne/n und damit von Vertreter/inne/n eines außerakademischen Berufssektors gegenüberstellt. Die Basis hierfür bilden Interviews, für die im ersten Halbjahr 1998 Trainer/innen bzw. die Verantwortlichen für den Bereich Training einer Reihe von Instituten befragt wurden. Diese Informant/inn/en lassen sich, im Hinblick auf ihre Beziehung zur Linguistik, in drei Gruppen teilen:

(i) Trainer/innen ohne aktuellen Kontakt zur Linguistik bzw. zu Linguist/inn/en:

Dr. Hermann Bayer, Geschäftsführer und Studienleiter ‚Die Sprache‘ Lehr- und Forschungsgesellschaft mbH, München

Rudolf Brozio, Trainer und Managementberater, Rudolf Brozio Unternehmensberatung und Management-Training, Rodgau

Monika Korzuch, Verantwortliche für Trainingsentwicklung, VA-Akademie für Führen und Verkaufen e.V., Sulzbach/Ts.

Günther Steinkraus, freier Trainer, Michel-Institut für Unternehmensberatung GmbH, Rattelsdorf

Marianne Walz, Trainingsreferentin, TEMA MarketingService, Mannheim.

(ii) Trainer/innen mit Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Linguist/inn/en

Erhard Flieger, iq.t Institut für Qualifikationsmanagement und Training GmbH, Freudenberg am Main

Georg Wist, Georg Wist und Partner, Esslingen

(iii) Linguist/inn/en, die nebenberuflich als Trainer/innen tätig sind oder waren, und Trainer/innen, die in der sprach- bzw. sprechwissenschaftlichen Forschung tätig sind oder

waren.

Dr. Annette Lepschy, Lepschy & Lepschy GbR, Personalentwicklung, Organisationsentwicklung, Münster

Prof. Dr. Gisela Brünner, Universität Dortmund

Prof. Dr. Michael Becker-Mrotzek, Universität Köln

Prof. Dr. Reinhard Fiehler, Institut für deutsche Sprache Mannheim

PD Dr. Ulrich Ulonska, Dr. Ulonska Training, Institut für Kommunikation und Management, Rosdorf

Die Interviews wurden entlang eines Leitfadens geführt, der durch Fragen ergänzt wurde, die für die drei Gruppen jeweils spezifisch waren. Ein Schwerpunkt unseres Interesses lag bei Trainer/innen ohne konkreten Kontakt mit linguistischer Forschung (Gruppe (i)), auf deren Annahmen, Erwartungen und Wertungen im Hinblick auf die Linguistik und die tatsächliche und mögliche Relevanz der Disziplin für die Trainingstätigkeit. Darüber hinaus wollten wir wissen, woher die Trainer/innen die Inhalte, Methoden, Modelle beziehen, die sie Ihren Kunden vermitteln, und wie ein Wissensangebot beschaffen und präsentiert sein muss, um überhaupt von ihnen wahrgenommen zu werden. In den Gesprächen mit Vertreter/inne/n der anderen beiden Gruppen lag der Fokus der Befragung auf der Anbahnung des Kontakts zwischen den beiden “Welten” und darauf, linguistische Forschungsergebnisse welcher Art in welcher Form in Trainings oder sprachbezogenen Beratungsformen zum Tragen kommen (können).

4.Trainer/inn/en mit beruflichen Erfahrungen aus dem Bereich der Linguistik

Hier fassen wir kurz die wesentlichen Erfahrungen und Einschätzungen derjenigen unserer Informant/inn/en zusammen, die ihre Trainings- bzw. Beratungstätigkeit vor dem Hintergrund fundierter linguistischer Kenntnisse bzw. in partieller Zusammenarbeit mit Linguist/inn/en ausüben.

Was die als Linguist/inn/en an Universitäten und Forschungseinrichtungen tätigen und die hauptberuflichen Trainer/innen der Gruppen (ii) und (iii) eint, ist die Tatsache, dass der Kontakt mit der jeweils anderen Domäne mehr oder weniger zufällig auf der Basis persönlicher Bekanntschaft zu Stande kam und zunächst nicht auf einem direkten professionellen Interesse beruhte. In keinem der hier berücksichtigten Fälle war die erste Kontaktaufnahme dadurch motiviert, dass ein Trainer/eine Trainerin spezifisch linguistische Kompetenz gesucht hätte, um ein konkretes Problem aus seiner/ihrer Arbeitswelt zu lösen. Insgesamt scheinen die hier repräsentierten Beispiele, die ja Einzelfälle darstellen, die These von der wechselseitigen Isoliertheit der beiden Welten eher zu bestätigen als zu widerlegen. So mag die Anbahnung von Geschäften und Kooperationen im informellen Rahmen “am Rande” professioneller Tätigkeiten auch in anderen Bereichen zwar durchaus typisch und erfolgreich sein. Zufällig ist diese Form der Kontaktanbahnung dort jedoch nur zu einem gewissen Grad, werden doch häufig ganz gezielt – etwa im Kontext von Messen, Konferenzen, Dienstreisen etc. – Gelegenheiten für solche informellen Kontakte geschaffen und sogar institutionalisiert. Foren dieser Art gibt es für das Zusammentreffen der Domänen Linguistik und Kommunikationstraining (noch) nicht in ausreichendem Maße. Bemerkenswerte Ansätze, diese Lücke von Seiten der Linguistik zu füllen, bilden in jüngerer Zeit allerdings der Arbeitskreis Angewandte Gesprächsforschung (AAG; http://www.linse.uni-essen.de/akag/akag.htm) und die Sektion Gesprächsforschung der Gesellschaft für Angewandte Linguistik (GAL).

“5. Vier Beobachtungen zu der (Nicht-)Beziehung zwischen den beiden “Welten”

Für die Erhellung der Gründe, die für die mangelnde Rezeption der Linguistik und ihrer Forschungsergebnisse durch Trainer/innen verantwortlich zu machen sind, sind vor allem die Gespräche mit denjenigen aussagekräftig, die niemals oder seit ihrer mehr oder weniger weit zurückliegenden Ausbildung keinen Kontakt zur Linguistik hatten, also die Trainer/innen der Gruppe (i). Diese hoben aus persönlicher Erfahrung übereinstimmend eine Reihe von Punkten hervor, die im Hinblick darauf aufschlussreich sind, was den Transfer linguistischer Forschungsergebnisse in den Dienstleistungssektor Kommunikationstraings be- oder gar verhindert. Diese Faktoren lassen sich unter vier Schlüsselbegriffe fassen:

* De-facto-Unterschiede zwischen den Domänen

* Unkenntnis der Linguistik

* Annahmen über die Linguistik, die jede Kontaktaufnahme sinnlos erscheinen lassen

* zwei “Welten” – zwei “Sprachen”.

In den folgenden Abschnitten gehen wir auf jeden dieser Begriffe ausführlicher ein. Dazu werden vier Beobachtungen formuliert, die jeweils auf Feststellungen und Bemerkungen unterschiedlicher Trainer/innen beruhen und die Zwei-“Welten”-These in einer spezifischen Hinsicht ausführen. Um in einigem Umfang zu belegen, dass unsere Formulierungen den Auffassungen unserer Informant/inn/en tatsächlich gerecht werden, führen wir einschlägige Zitate in exemplarischer Weise an, wenn es nicht möglich ist, alle relevanten Belege vollständig wiederzugeben.

Beobachtung I: Die beiden “Welten” unterscheiden sich bezüglich wichtiger Faktoren

Die Trainer/innen aller drei Gruppen machten übereinstimmend deutlich, dass ihre Betätigung Bedingungen unterliegt, die in einem Kontrast zu jenen stehen, die im akademischen Kontext vorherrschen. Aus dem Primat ökonomischer Standards als ausschlaggebendes Bewertungskriterium für beruflichen Erfolg leiten sich ein eng begrenztes Zeitbudget, Kundenorientierung und die Notwendigkeit ab, ein Produkt anzubieten, das den praktischen Anforderungen der Kunden entspricht.

Die folgenden Bemerkungen sind charakteristisch für diese Sichtweise:

Kundenorientierung:

“Sie brauchen aktuelle, tolle, aktivierende Beispiele. Denn Sie müssen Ihre Teilnehmer ständig motivieren [um sie dazu zu bringen Ihnen zu folgen]” (R. Brozio).

“Die Klienten fragen: ,Wie kann ich das, diese [im Seminar vermittelten] Erkenntnisse konkret in meinem Alltag umsetzen, mit praktischen Beispielen?’” (M. Korzuch).

Knappes Zeitbudget:

“Ein Trainer ist ein gnadenloser Pragmatiker. Der will, was er am Montag lernt, noch am Montag Abend umsetzen” (G. Steinkraus).

Beobachtung II: Trainer/innen kennen die Linguistik nicht

Trainer/innen der Gruppe (i), d.h. die weit überwiegende Mehrheit in dieser Berufsgruppe, wissen nicht, was Linguistik ist, womit sich linguistische Forschung befasst, oder gar, dass sich die Linguistische Pragmatik oder die Angewandte Linguistik mit Problem beschäftigen, die sich Teilnehmer/inne/n von Trainings im Berufsalltag stellen. Diese sich selbst auf Nachfrage zugeschriebene Unkenntnis äußert sich in einer Reihe von entsprechenden Äußerungen:

“Ich denke da ist es wahrscheinlich auch ein Problem, dass man [d.h. Trainer/innen und Linguist/inn/en] sich gegenseitig überhaupt nicht kennt” (M. Korzuch).

“Es versteht sich keiner als Sprachberater, und ich würde mal behaupten, dass 80% [der Trainer/innen] überhaupt nicht wissen, was Linguistik ist” (M. Korzuch).

Beobachtung : Die Annahmen der Trainer/innen über die Linguistik sind sehr unspezifisch, aus zweiter Hand und eher negativ

Das Wissen der Trainer/innen wissen über die Linguistik und die linguistische Forschung ist, wie gesehen, begrenzt. Hinzu kommt, dass ihre Annahmen und Erwartungen, sofern es solche gibt, derart sind, dass die Linguistik als interessante Partnerin für Wissenstransfer und berufliche Kooperation gar nicht erst in Betracht gezogen wird. Einige Facetten des Bildes, das sich aus der Perspektive professioneller Trainer/innen von der Linguistik ergibt, lassen sich mit den folgenden –– z.T. als Paraphrasen wiedergegebene – Aussagen illustrieren:

Fehlende Kenntnisse von Institutionen

Ein großes Handicap von Linguisten sei, dass bei ihnen keinerlei Kenntnisse über Institutionen und Betriebe, über deren Strukturen und die internen Abläufe, zu erwarten seien. Das mache es ihnen schwer, sich in die außeruniversitäre Arbeitswelt einzuleben und einzufühlen und zu erkennen, wie Entscheidungen zustande kommen.

Grundlagenforschung und Textbezogenheit

Die Arbeit der Linguisten beschränke sich in erster Linie auf Grundlagenforschung. Ein Denkfehler bestünde jedoch darin, dass sie den tatsächlichen situationsgebundenen Sprachgebrauch mehr oder weniger gezielt ausblendeten. Dabei komme gerade das zu kurz, was normale Menschen in Hinblick auf Sprache tagtäglich erleben: Kommunikation.

Analytische Fähigkeiten

“Also ich würde eher denken, ein Linguist [...] kann Texte auseinander nehmen. Also für den Bereich Kommunikationstrainer würde ich eher sagen, würde er bei uns im Haus eher einen abschlägigen Bescheid bekommen[, wenn er sich auf eine Stelle bewürbe]” (M. Walz).

Allgemeiner formuliert stehen diese Zitate für die Auffassung, dass Linguist/innen

sich nur innerhalb der geschlossenen Welt der Universität bewegen und daher nicht gelernt haben, sich in betriebliche Strukturen zu integrieren

sich mit Aspekten von Sprache beschäftigen, die für Trainer/innen irrelevant sind

vor allem geschriebene und kaum einmal gesprochene Sprache in alltäglichen bzw. beruflichen Zusammenhängen erforschen

generell theoretisch und nicht praxisbezogen denken und arbeiten.

Wer so über die Linguistik denkt, wird sie als mögliche Quellen für die Übernahme und Umsetzung geeigneter Konzepte erst gar nicht wahrnehmen. Dass das Schlagwort “Theorie” unter Berufspraktiker/inne/n stark negativ konnotiert ist, tritt auch deutlich aus der Selbstpräsentation der VA-Akademie im Rahmen ihres Internetauftritts hervor. Die dort gestellte Frage “Warum Training mit der VA?” wird knapp und apodiktisch u.a. wie folgt beantwortet, "Weil Ihnen Praxishilfe mehr bringt, als theoretisches Wissen.”

Während also für Trainer/innen die Dichotomie Praxis-Theorie ein Gegensatz ist, der die Trennungslinie zwischen ihrer eigenen beruflichen Tätigkeit und der Linguistik markiert, nehmen sie eine mögliche und von Seiten der Linguistik auch offensichtliche Gemeinsamkeit nicht wahr: die Beschäftigung mit Sprache und sprachlicher Interaktion. Trainer/innen sehen sich nämlich als Vermittler von Fähigkeiten, wie die zu verkaufen, sich selbst überzeugend zu präsentieren, Gespräche zu leiten, zu moderieren etc. Dass dabei der im Sinne des jeweiligen Schulungsziels effektive Sprachgebrauch eine wichtige Rolle spielt, wird als sekundärer und aus der Perspektive der zu Schulenden unproblematischer Aspekt angesehen, der nicht selbst im Zentrum des Trainings zu stehen hat. Das machen die folgenden Aussagen deutlich:

Problemlöser, statt Sprachexperten

“Mein Vorschlag ist, das Sie den Begriff [Linguistik] einfach ganz weglassen. Sie bieten Lösungen an, für Probleme, die so niemand formulieren würde. Also wenn ich ein Problem habe, meine Mitarbeiter zu motivieren oder zu trösten, dann würde ich das nicht ,Sprachproblem‘ nennen” (M. Korzuch).

Kommunikationsfähigkeit versteht sich von selbst

“Wir suchen Trainer oder Menschen, die sagen: "Wir‘ haben jetzt erfolgreich geführt, erfolgreich verkauft"‘, und das würden sie gerne weitergeben. Sie würden also gerne anderen helfen, erfolgreich zu sein. [...] Also die sagen nicht:, Wir wollen jetzt unsere Kommunikationsfähigkeit weitergeben‘, sondern die sagen:,Ich war ein prima Akquisiteur, war eine tolle Führungskraft, und jetzt will ich anderen helfen auch so gut zu werden in diesem Job‘” (M. Korzuch).

Beobachtung IV: Zwei “Welten” – zwei “Sprachen”

Erfolgreiche Trainer/innen vermitteln die ihnen wichtigen Punkte, indem sie die Sprache ihrer Kund/inn/en sprechen, Beispiele aus deren persönlichen professionellen Umfeld anführen, Ideen, Modelle etc. visualisieren, vor allem aber, indem sie wissenschaftlichen Jargon vermeiden. Im Gegensatz dazu, betrachten die Trainer/innen die Sprache der Linguistik als opak, theoriebezogen und deshalb abstrakt und letztlich unzugänglich für ihre Klient/inn/en.

Unverständlichkeit von Theorie:

“Dann fällt mir ganz einfach auf, dass die Theorielastigkeit, gerade auch was das Verstehen und Verständnis eines Textes betrifft, im Grunde für den Trainer noch verständlich ist, aber für Seminarteilnehmer beispielsweise vollkommen unverständlich” (M. Walz).

Sprachliche Komplexität:

“Die Sprache der Darstellung darf dann natürlich keine verquaste sein, die muss genauso nachvollziehbar sein, wie sie [d.h. die Linguisten] sagen, dass man reden muss” (H. Bayer).Diese Aussagen weisen auf zwei Quellen von Verständnisproblemen hin, mit der wohl jede Wissenschaft bei dem Versuch zu tun hat, sich einer außerakademischen Öffentlichkeit oder Ausschnitten davon verständlich zu machen, und die vom Standpunkt eben dieses Publikums häufig verwechselt werden: Unverständlichkeit aufgrund der Komplexität, die einer erforschten Sache nun einmal innewohnt, und Unverständlichkeit aufgrund einer “verquasten” Darstellung dieser Sache. Neuere Entwicklungen und Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung sind in ihrer Entstehung und ihren Konsequenzen immer nur einem beschränkten Kreis von Expert/inn/en zugänglich, denen neben dem Fachwissen auch der weitere Diskussionszusammenhang bekannt ist. Die Vermittlung an ein größeres Publikum kann nur dann erfolgreich sein, wenn sie einhergeht mit einer gewissen Vereinfachung, Veranschaulichung und Reduzierung auf das für die Rezipienten Relevante.

Die Linguistik und ganz besonders die germanistischen Linguistik ist nun eine Disziplin, bezüglich deren sich deutschsprachige Leser/innen – zu Recht – eine eigene Kompetenz, wenn nicht gar – meist zu Unrecht – eine Fachkompetenz zuschreiben. In einem solchen Fall liegt es nahe, Verständnisschwierigkeiten eher auf die Unverständlichkeit der Sprache als auf die Komplexität des Gegenstands deutsche Sprache und Kommunikation zurückzuführen. Und dann wird die für Nichtlinguist/inn/en inhaltlich kaum zugängliche Darlegung theoretischer Überlegungen und Argumente eben nicht unbedingt als der wissenschaftlichen Diskussion geschuldet und in der Sache begründet wahrgenommen, sondern unter rein formalen Gesichtspunkten als stilistisch opak und verklausuliert beurteilt.

6. Was fehlt, ist Neugier

Fassen wir die Ergebnisse bis hierhin zusammen, so wurde die eingangs formulierte Zwei-“Welten”-These durch die zuletzt angeführten Feststellungen und Kommentare der befragten Trainer/innen in unterschiedlichen Hinsichten belegt und differenziert. Wer erklären möchte, warum gegenwärtig die Disziplin der (angewandten und pragmatisch orientierten) Linguistik und das (marktwirtschafliche) Berufsfeld der Kommunikationstrainings zwei weitgehend voneinander isolierte Domänen bilden, der hat die vier Faktoren, die den Beobachtungen I - IV zu Grunde liegen und die Einstellung der Trainer/innen zur Linguistik betreffen, zu berücksichtigen. Erst recht gilt dies natürlich für diejenigen, die diese Isolation nicht nur beschreiben und erklären, sondern überwinden möchten.

Der Ausgangspunkt aller solcher Bemühungen muss dabei der Allgemeinplatz sein, der von den Trainer/inne/n immer wieder vorgebracht wird: Wirtschaftsunternehmungen und akademische Wissenschaftsdisziplinen unterliegen unterschiedlichen Maßstäben professionellen Erfolgs mit allen Konsequenzen für Zeitbudgets, Kundenorientierung usw. Diese unbestreitbaren Unterschiede bedeuten jedoch keineswegs ein unüberwindbares Hindernis für die mögliche Begründung einer Partnerschaft. Ersichtlich wird dies bereits daraus, dass die Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft auf anderen Gebieten längst etabliert ist.

Es sind also nicht faktische Interessens- und Bewertungsgegensätze allein, die einen Austausch schwer machen oder gar verhindern. Was vielmehr seitens der Trainer/innen zu fehlen scheint, ist eine zunächst unverbindliche Offenheit und Neugier gegenüber der Linguistik. Ob ein Trainer die Linguistik als potenzielle Ressource für die eigene Arbeit überhaupt einmal in Betracht zieht, ist abhängig davon, wie er die zuletzt genannten Fakten bewertet und gewichtet, d.h. wie diese sich in seinen Annahmen, Vorurteilen, Einstellungen und Erwartungen widerspiegeln. Nur wer einen ihm weitestgehend unbekannten Wissen(schaft)sbereich für prinzipiell interessant hält, wird sich bei sich bietender Gelegenheit einmal genauer darüber informieren. Solche unter Umständen ungezielten und mehr oder weniger beiläufig zu Stande kommenden Erstkontakte aber sind ein wichtiger Schritt auf dem Weg, der zu festeren Beziehungen bis hin zu gemeinsamen Projekten führen könnte. Dies gilt insbesondere für eine Disziplin wie die Linguistik, über die – anders etwa als im Fall von Medizin oder Jura – in der breiten Öffentlichkeit kaum konkrete Vorstellungen existieren, aufgrund derer sich jemand gezielt mit einem Problem an ihre Vertreter/innen wenden würde oder auch nur wenden könnte.

Schon die Tatsache, dass die befragten Trainer/innen der Gruppe (i) (s.o.) die – unbestreitbaren – Unterschiede zwischen den Bereichen hervorhoben und die – ebenso unbestreitbaren – Gemeinsamkeiten hinsichtlich des Interesses an Kommunikation und Interaktion erst auf konkrete Nachfrage überhaupt erst wahrnahmen, wirft ein verdeutlichendes Licht auf das Bild der Trainer/innen von der Linguistik. Dieses ist, das zeigen die Interviews, kaum ausgebildet und differenziert im Hinblick auf das, was die Linguistik und ihre Teilgebiete beschäftigt. Kommunikationstrainer/innen dürften hier durchaus repräsentativ für die Öffentlichkeit als Ganzes stehen.

Es sind also nicht schlechte Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Linguist/inn/en oder mit linguistischen Methoden, Konzepten, Modellen bzw. deren Darstellung, die Trainer/innen davon abhält, die Linguistik professionell zu nutzen, das heißt z.B. Trainings unter Einbeziehung linguistischer Aspekte zu gestalten und zu optimieren. Die Ursache für diese Nichtbeachtung eines potenziell interessanten Partners scheint viel grundlegender zu sein: Man weiß nicht, dass es den anderen gibt, und damit hat man auch keine Anknüpfungspunkte, um mehr über ihn in Erfahrung zu bringen, sich auf dieser Basis detaillierter zu informieren und schließlich vielleicht sogar in Kontakt mit ihm zu treten.

Dass es sich bei dem Problem, das dem Wissenstranfer bzw. der Wissenstransformation zwischen Linguistik und Kommunikationstrainings im Wege steht, tatsächlich um ein grundlegendes handelt, lässt sich mit einem Hinweis auf Dewe deutlich machen, der einen “Rahmen” skizziert, “innerhalb dessen sich Transformationsprozesse zwischen Wissenschaft und Beständen vorwissenschaftlichen Erfahrungswissens abspielen” (1988: 125f) und der dabei drei Transformationstypen unterscheidet.

(i) Verweisungswissen:“ [I]n das Alltagswissen werden lediglich Verweise auf die Existenz wissenschaftlichen Wissens aufgenommen [...]. Zu solchen Verweisen gehört auch die ungefähre Kenntnis, wann, mit welchem Problem man sich an welchen Experten zu wenden hat oder auch nur, wer einen hierüber Auskunft erteilen kann” (Dewe 1988: 126).

(ii) Popularisierung wissenschaftlichen Wissens:“ Es folgt eine Aufnahme wissenschaftlicher Begriffe in die Umgangssprache [...]. Diese Begriffe verlieren dabei die in ihrem wissenschaftlichen Theorierahmen gegebene Eindeutigkeit, werden vager und unbestimmter [...][...]” (Dewe 1988: 127).

(iii) Übernahme wissenschaftlicher Teilmodelle und --aussagen:“ Wissenschaftliche Aussagen werden aus dem theoretischen Zusammenhang, innerhalb dessen sie streng genommen allein Gültigkeit besitzen, herausgenommen und einer Typisierung unterworfen, das heißt sie werden in einem individuell oder gesellschaftlich relevanten Zusammenhang [...] als typische wiederkehrendes Argumentationsmuster begriffen und so bereinigt von anderen nicht überschaubaren Implikationen als Deutungsschema neben anderen im Wissensvorrat abgelagert” (Dewe 1988: 127).

Dewe scheint die drei Typen der Transformation wissenschaftlichen Wissens als aufeinander aufbauend zu denken. Und dies ist in der Tat plausibel, wird (ja muss) doch etwa derjenige, der etwa das Vier-Ohren-Modell (Schulz von Thun 1985) im Rahmen seiner Trainings übernehmen möchte, sowohl Verweisungswissen im Sinne einer namentlichen Kenntnis des Autors (oder anderer Vertreter/innen des Modells) und einiger seiner Publikationen als auch um eine populäres Wissen z.B. darum besitzen, was das Vier-Ohren-Modell überhaupt ist.

Die Interviews deuten darauf hin, dass die Beziehungen zwischen Kommunikationstrainer/inne/n und der Linguistik nicht einmal dem ersten und grundlegenden Typ der Wissenstransformation entsprechen. Ein intensiverer Austausch im Sinne der Ebenen (2) und (3) erscheint damit zur Zeit (noch) nicht zu erwarten.

7. Ein Blick von der anderen Seite: Linguist/inn/en über die Linguistik

Schon im Titel dieses Beitrags haben wir angedeutet, dass die Ursachen für die Isolierung der beiden “Welten” voneinander wechselseitig und auf beiden Seiten der Nicht-Beziehung zu finden sind. Um dies zu belegen und damit erst das Bild vom Verhältnis zwischen Linguistik und Kommunikationstrainings zu vervollständigen, seien im Folgenden die Ergebnisse einer bereits erwähnten Umfrage unter Linguist/inn/en (Antos/Tietz/Weber 1999) zusammengefasst, insoweit sie die hier verhandelten Probleme betreffen. Vor dem Hintergrund der Sicht von Kommunikationstrainer/innen auf die Linguistik, erscheinen vor allem die Rückmeldungen auf die im Folgenden zitierte Frage (11) relevant:

Was wäre Ihrer Meinung nach nötig, um die Linguistik öffentlichkeitswirksamer darzustellen und den Transfer linguistischer Erkenntnisse in verschiedene Bereiche der Öffentlichkeit zu fördern?

Die Äußerungen der 256 Linguist/inn/en aus deutschsprachigen Ländern, die hierauf antworteten, zeigen bemerkenswerte Parallelen zur Auffassung der Trainer/innen, wie sie oben dargestellt wurde. Die Ausführungen lassen sich zum größten einem der drei folgenden Feststellungen zuordnen:

Die Ergebnisse linguistischer Forschung müssen verstärkt in Formen und an Orten (elektronische Medien, das Internet, populärwissenschaftliche Magazine, Veranstaltungen etc.) präsentiert werden, die für eine allgemeine bzw. für bestimmte professionelle Öffentlichkeit(en) zugänglich sind (126 von 256 Wortmeldungen; s.o. Beobachtung II).

Linguist/inn/en sollten sich u.a. mit ganz praktischen Problemen einer nichtwissenschaftlichen Öffentlichkeit oder bestimmter Berufsfelder befassen (87 von 256; s.o. Beobachtung III).

Wenn sie ihrer Forschungsergebnisse darstellen und damit vor allem auch ein Publikum außerhalb der eigenen Disziplingrenzen erreichen wollen, sollten sich Linguist/inn/en einer verständlichen Sprache bedienen, die frei von Jargon ist (45 von 256; s.o. Beobachtung IV).

In wesentlichen Punkten entspricht also die von den Trainer/inne/n auf Nachfrage geäußerte und oben dargelegte Skepsis gegenüber bzw. Kritik an der Linguistik den Problemen, die viele Linguist/inn/en im Verhältnis ihres Fachs zur Öffentlichkeit sehen.

8. Schlussfolgerungen

Kommunikationstrainings sind ein dynamisch wachsender Dienstleitungsbereich und damit ein Ausschnitt der Gesellschaft, in dem die Beschäftigung mit Sprache und die Vermittlung sprachbezogener Fertigkeiten von zentraler Bedeutung ist. Trainer/innen sind somit im Grunde “natürliche” Partner für die Wissenschaft von der Sprache, die Linguistik. Dass diese Gemeinsamkeit sie bislang kaum dazu veranlasst hat, die Linguistik aktiv wahrzunehmen oder gar als Ressource zur Optimierung ihres Produkts zu nutzen, ist von Sprachwissenschaftler/inne/n seit längerem festgestellt und gelegentlich beklagt worden (vgl. Wimmer 1994, Mackoviak 1994, Brünner/Fiehler 1999, Antos/Tietz/Weber 1999).

Unser Beitrag fragte nach den Ursachen für diese fehlende Resonanz. Gerichtet wurde diese Frage im Rahmen von Interviews an Trainer/innen, nachdem die Haltung von Linguist/inn/en zu diesem Thema bereits andernorts dargestellt wurde (vgl. Antos/Weber/Tietz). Dieser Herangehensweise lag die Annahme zu Grunde, dass, wer die Chancen für Wissenstransfer und Kooperation bzw. die Gründe dafür ausloten möchte, dass eine solche Zusammenarbeit nicht zu Stande kommt, zunächst einmal feststellen muss, was die potenziellen Partner übereinander wissen und voneinander halten und erwarten.

Die eingangs formulierte Zwei-“Welten”-These gibt den Tenor der Interviews und die Antwort auf unsere zentrale Frage in knappster Form wieder: Trainer/innen suchen keinen Kontakt mit der Linguistik, weil sie dieses Fach als möglicherweise interessanten Partner nicht wahrnehmen. Dies wiederum liegt daran, dass ihre Kenntnis von dieser Disziplin bestenfalls vage sind und nicht über das von den Medien geprägte Bild hinausgehen. Forschungsergebnisse und Projekte, die in ihrer pragmatisch-angewandten Ausrichtung den Interessen von Trainer/innen nahe stehen, sind diesen gänzlich unbekannt. Dieser globale Befund wurde im Anschluss in der Form von vier Beobachtungen differenziert und jeweils durch entsprechende Zitate belegt.

Als wesentliches Ergebnis ist dabei hervorzuheben, dass es gegenwärtig nicht die ohne Zweifel gegebenen Unterschiede zwischen einem den Marktgesetzen unterworfenen Dienstleistungssektor und einer akademischen Disziplin sind, die Kooperation und Transfer zwischen den beiden verhindern. Mit Bezug auf Dewes (1988) dreigliedrige Typologie der Wissenstransformation ließ sich deutlich machen, dass die Hindernisse auf einer grundlegenden Ebene zu finden sind, die noch vor aller konkreten Erfahrung der Beteiligten mit der anderen Domäne liegen und diesen die Aussicht auf eine solche konkrete Erfahrung unattraktiv erscheinen lassen. Wer den anderen nicht wahrnimmt (Stufe 1), wird auch weder dessen Begriffe (Stufe 2) noch gar dessen Modelle (Stufe 3) übernehmen bzw. für die eigenen Zwecke adaptieren (können). Hier wird deutlich, wie folgenreich es für die Linguistik ist, lange darauf verzichtet zu haben öffentlich sichtbar aufzutreten.

Die daraus abzuleitende Konsequenz liegt auf der Hand: Sich nach außen hin zu öffnen, bedeutet für die Linguistik nicht, opportunistisch die Fragen, Ziele und Bewertungsmaßstäbe potenzieller Rezipienten für die eigene Arbeit zu übernehmen. Um das oben skizzierte Grundproblem ihrer Nichtwahrnehmbarkeit zu überwinden, müssen Linguist/inn/en vor allem dafür Sorge tragen, dass ihre primär wissenschaftlich motivierte und ausgerichtete Arbeit und deren Ergebnisse dort in den Blick einer breiteren Öffentlichkeit bzw. berufsspezifischer Teilöffentlichkeiten gelangen, wo sie einen Beitrag leisten können.

Die Domäne der Kommunikationstrainings kann hier in mehrfacher Hinsicht als typisch gelten. Zum einen erscheint der Bezug dieser Form von Dienstleistung zur Sprache und damit zur Linguistik offensichtlich. Zum anderen ist – aus den oben dargelegten Gründen – im Allgemeinen nicht zu erwarten, dass die Initiative zur Zusammenarbeit von Trainer/innen ausgehen wird. Die Isolation zu überwinden, ist also vor allem Aufgabe der Linguist/innen selbst (vgl. Barth-Weingarten/Metzger i.d.B.). Und dies gilt, drittens, umso mehr, als das hier vom Standpunkt der Trainer/innen entworfene sehr begrenzte Fremdbild von der Linguistik, insofern es im Wesentlichen nicht auf persönlicher Erfahrung mit der Disziplin, sondern auf deren öffentlicher Darstellung in den Medien beruht, vermutlich auch von Vertreter/innen anderer Berufsfelder geteilt wird.

Das Verhältnis zwischen der Linguistik und dem Sektor Kommunikationstrainings lässt sich, im Ganzen betrachtet, gegenwärtig am ehesten als Nicht-Verhältnis charakterisieren. Wesentliche Ursachen hierfür wurden oben vorgestellt. Einige Indikatoren sprechen jedoch dafür, dass der status quo nicht mehr nur beklagt wird, sondern aktiv Wege in die “Außenwelt” beschritten werden. Konstatiert Bachorski noch 1994 im Hinblick auf die Germanistik insgesamt, dass die Bereitschaft der Wissenschaftler, “aus der fachinternen Perspektive über das öffentliche Ansehen ihres Faches und die wiederkehrende Kritik an ihm sowie über ein mögliches gesellschaftliches (Des-)Interesse an ihm” zu diskutieren gering war (Bachorski 1994: 12), so zeigen z.B. die in Antos/Tietz/Weber (1999) vorgestellte Umfrage und einschlägige Kongresse (z.B. die IDS-Jahrestagung 1998), dass die Linguistik als Wissenschaftsdisziplin diesen Themenkomplex als für sie wichtig erkannt und angenommen hat.

Über die Konstatierung und Analyse des Problems hinaus, haben sich in jüngerer Zeit Vereinigungen wie die Sektion Gesprächsforschung in der Gesellschaft für Angewandte Linguistik (GAL) und der Arbeitskreis Angewandte Gesprächsforschung (AAG) gegründet, die nicht zuletzt auch die Kontaktpflege mit außerakademischen Berufsfeldern zum Ziel haben. So liest sich etwa die Selbstdarstellung der AAG unter der Überschrift “Aufgaben des Arbeitskreises” wie eine direkte Antwort auf die oben zitierten Kritikpunkte der Kommunikationstrainer/innen:

“Der Arbeitskreis versteht sich als Schnittstelle zwischen sprachwissenschaftlicher Forschung und kommunikativer Praxis.  [...] Wir analysieren berufliche Kommunikation und erarbeiten Lösungen für spezifische kommunikative Probleme, die in ihr auftreten” (http://www.linse.uni-essen.de/akag/info.htm. 9. März 2001). Diese Ansätze der Linguistik, ihre Öffnung nach außen über Internetauftritte, Publikationen und regelmäßige Veranstaltungen zu institutionalisieren, bieten Plattformen, auf denen Kontakte systematisch gesucht, vermittelt und angebahnt werden können. Dies kann als ein qualitativer Schritt über das Stadium hinaus betrachtet werden, in dem vereinzelte Beispiele erfolgreicher Kooperation zwischen Linguist/inn/en und Trainer/inne/n (vgl. z.B. Flieger/Wist/Fiehler 1992) weitgehend auf persönlichen und außerhalb beruflicher Tätigkeiten zu Stande gekommenen Kontakten beruhten.

Literatur

Antos, Gerd/Tietz, Heike/Weber, Tilo (1999): Linguistik in der Öffentlichkeit? Ergebnisse einer Umfrage in der Linguistik zum Forschungstransfer. In: Gerhard Stickel (Hg.). Sprache – Sprachwissenschaft – Öffentlichkeit. Berlin, New York. (= Jahrbuch 1998 des IDS)

Bachorski, Hans-Jürgen (1994): Überlegungen zum Leitthema: die Germanistik und die Öffentlichkeit. In: Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes 3. 10-15.

Barth-Weingarten, Dagmar/Metzger, Markus (i.d.B.): ...yy

Becker-Mrotzek, Michael/Brünner, Gisela/Cölfen, Hermann, unter Mitarbeit von Annette Lepschy (Hg.) (2000): Linguistische Berufe. Ein Ratgeber zu aktuellen linguistischen Berufsfeldern. (= Forum angewandte Linguistik; 37) Frankfurt, M.

Brünner, Gisela/Fiehler, Reinhard (1999): KommunikationstrainerInnen über Kommunikation. Eine Befragung von TrainerInnen zu ihrer Arbeit und ihrem Verhältnis zur Sprachwissenschaft. In: Gisela Brünner/Reinhard Fiehler/Walther Kindt (Hg.). Angewandte Diskursforschung. Opladen.

Dewe, Bernd (1988): Wissenverwendung in der Fort- und Weiterbildung. Zur Transformation wissenschaftlicher Informationen in Praxisdeutungen. Baden-Baden. (= Studien zum Umgang mit Wissen; 6)

Dewe, Bernd (i.d.B.): ..

Flieger, Erhard/Wist, Georg/Fiehler, Reinhard (1992): Kommunikationstrainings im Vertrieb und Diskursanalyse. Erfahrungsbericht über eine Kooperation. In: Reinhard Fiehler/Wolfgang Sucharowski (Hg.). Kommunikationsberatung und Kommunikationstraining. Anwendungsfelder der Diskursforschung. Opladen, 289-338.

Mackowiak, Klaus (1994): Gibt es sie wirklich? Zum Verhältnis von Sprachwissenschaft und Öffentlichkeit. In: Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes 3, 56-63.

Schulz von Thun, Friedemann (1986). Miteinander reden. Störungen und Klärungen. Psychologie der zwischenmenschlichen Kommunikation. Reinbek: Rowohlt

Stickel, Gerhard (1999): Zur Sprachbefindlichkeit der Deutschen. Erste Ergebnisse einer Repräsentativumfrage. In: Gerhard Stickel (Hg.). Sprache – Sprachwissenschaft – Öffentlichkeit.  Berlin, New York. (Jahrbuch 1998 des IDS), 16-44.

Wimmer, Rainer (1994): Interessierte Öffentlichkeit für die germanistische Linguistik? In: Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes 3, 51-56.

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